Kairos Inspirationen 2024/#6

Nicht der Gedanke, sondern die Verantwortungsbereitschaft ist der Ursprung der Tat.

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945, lutheranischer Theologe und Vertreter der bekennenden Kirche)

 

10. März 2024

 

Wie wird die Beziehung zwischen einem Gedanken und der Tat hergestellt? Die eigentliche Frage lautet: In welchem Verhältnis steht ein Mensch oder auch eine ganze Generation zur Tat? Wie glaubt man, seine beste Kraft zu mobilisieren?

 

Im Wesentlichen gibt es dazu drei Grundpositionen.

Die einen sagen: was richtig ist, ist einfach zu tun. Demgemäß muss jemand, der erkennt, dass etwas richtig ist, auch danach handeln.

 

Andere sagen: Die Kraft zu handeln geht aus dem Verantwortungsbewusstsein hervor. Wer die richtige bewusste Haltung zu einer Erkenntnis hat, der entwickelt die Kraft, in diesem Sinne auch zu handeln.

 

Für Bonhoeffer ist das alles noch zu oberflächlich. Für ihn ist die ursprüngliche Erfahrung der „Verantwortungsbereitschaft“ erst die Quelle der Tat.

 

Natürlich lassen sich all diese Varianten zeitlos in ihrem Sinngehalt betrachten und diskutieren. Aber die Kairologie bleibt dabei nicht stehen. Für sie ist die Aussage von Bonhoeffer kein zufälliges persönliches Produkt oder Bekenntnis. Für sie genügt es nicht, auf Charakter oder Herkunft zurückzugreifen, um die Aussage einzuordnen.

 

Die Kairologie achtet darauf, wann jemand wie Bonhoeffer gelebt hat. Mit Jahrgang 1906 ist er Repräsentant einer historischen Sinngemeinschaft, die wir Kairos Generation nennen. Seine Kairos Generation umfasst Jahrgänge von etwa 1896-1922. Für diese Generation geht jede echte Tat unmittelbar aus der inneren Dynamik der Menschen hervor und nicht aus der Festigkeit eines Gedankens oder einer bestimmten Bewusstseinshaltung. Verändert sich die Kraft, verändert sich auch die Tat. Was sich innerhalb dieser Generation veränderte, war die Größenordnung der Gemeinschaft und die Art des Repräsentierens. Solange dieses Generationsfeld besteht, bleibt auch der wesentliche Unterschied zu den beiden anderen Mustern bestehen, die ich oben genannt habe.

 

Erst das Wissen um die Bedeutung der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Generationsfeld, lässt uns ganz die konkret geschichtliche Bedeutung des Inhalts verstehen, den jemand vertritt.

 

Karl Hofmann

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