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Die Gabe der mentalen Kraft kommt von Gott, dem Göttlichen Wesen, und wenn wir unseren Geist auf diese Wahrheit einstimmen, werden wir im Einklang mit dieser grossen Macht sein.
Niklas Tesla
Es geht an Weihnachten nicht bloß um ein Christkind. Es geht um jedes Kind auf der Welt. Weil wir aus einer Mutter hervorgehen, haben wir einen Leib, ein körperliches Kommunikationssystem mit der Welt. Wir bilden ein biologisches System, das genau so ist, wie es ist, weil es nur so einer anderen Dimension entsprechen kann, die wir Geist nennen. Der Geist ist nicht etwas, was vom Vater kommt. Sonst müsste man ja annehmen, dass die Mutter ohne Geist sei. Der Geist kann auch nicht aus dem Samen des Vaters entstehen; denn der ist genauso biologischen Ursprungs wie das Ei der Mutter.
Wie also wollen wir es fassen, dass jedes gezeugte Menschenkind ein Geist-Leib-Wesen ist? Das Neue Testament spricht von einer jungfräulichen Geburt. Das deutet an, dass der Geist nicht vom Manne kommen kann. Wenn wir sagen, dass Jesus irgend einen Erzeuger voraussetzt, dann ist das keine Wahrheit, sondern nur ein banales Faktum. Es wäre aus meiner Sicht nicht notwendig, die Aussage von Markus 3,31 oder Matthäus 13,55 wegzudiskutieren, dass Jesus vier Brüder und einige Schwestern hatte. Das hebt in keiner Weise die Jungfräulichkeit auf, wie sie in dieser Schrift gemeint ist. Will ich mir etwas geschichtlich vorstellen, dann ist der Verkündigungstext bei Lukas aus meiner Sicht ein guter Weg: …Wie soll das geschehen …? – Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten …“ Lukas 1,34f.
Wo in anderen Gesellschaften die Frage sich nach dem Besonderen des Menschen gestellt wurde, kam man in ähnlicher Weise auf den Gedanken einer Jungfrauengeburt. Die spannende Frage ist also: Was unterscheidet dieses biblische Reden von den früheren, von denen es gerne abgeleitet wird? Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass aus diesen eigenartigen Anfängen ein großes spezifisches kulturelles System erwuchs. Es reichte über das frühe Christentum mit seinen verschiedenen Varianten, über die parallele Entwicklung des Judentums, über die Entstehung von Orthodoxie hier und Islam dort, bis hin zu den Amerikanern jenes Systems, dem Aufstieg der türkischen Osmanen.
Die Beweisführung im Neuen Testament für das radikal Neue des kulturellen Selbstverständnisses mittels der Erzählung von Verkündigung und Jungfrauengeburt findet sich nur bei Lukas und Matthäus. Markus braucht diese Geschichte noch nicht, Johannes nicht mehr. Und selbst in der abendländischen Kirche wurden diese Glaubensvorstellungen erst 1854 dogmatisiert, als Reaktion auf die Verabsolutierung der biologischen Sichtweise.
Das Neue Testament legt viel mehr Wert darauf, dass das Werden des menschlichen Geistes, der den Menschen die bewusste Beziehung zu dem Ganzen ermöglicht, weder bloß individuell noch bloß kollektiv zu verstehen ist. Beides ist eins, wogegen es im Bewusstsein jeweils in eine der beiden Vorstellungswelten zerfällt (Lukas: individuell, Matthäus: kollektiv)
Beides durchläuft dieselben Transformationsstufen der Vorbereitung. Denn die Existenz eines jeden von uns setzt die ununterbrochene Generationskette der ganzen Menschheit wie auch die Kette von bestimmten Entwicklungsschritten der Eltern voraus. Ein großes Kultursystem hat im Prinzip vier Vorstufen, ehe die Vereinigung von oben und unten geschehen kann. Für die Bibel sind das vier Bünde Gottes mit den Menschen: der Noah-Bund, der Abraham-Bund, der Mose-Bund und der David-Bund. Von Bund zu Bund wird diese Beziehung zwischen Gott und der Menschheit weniger mythisch, mehr geschichtlich.
In gleicher Weise setzt die Entstehung des Menschen idealerweise den Weg der Eltern durch vier Transformationsstufen der Entwicklung der inneren Einheit voraus. Sie haben die Kraft ihrer Erfahrung von Liebe, Glaube, Hoffnung und Sinn zu sammeln und zu speichern. In dem Maße, in dem dies geschieht, können sie einem Kind oder mehreren optimale Eltern sein.
Wir erlauben uns hier, einen komplexen und in der Praxis unvollkommenen Vorgang auf seine wesentlichen Konstanten zu reduzieren. Mein Anliegen ist es, auf eine doppelte gleichartige Verwandlung hinzudeuten. Sie ist Voraussetzung dafür, dass ein neues „Licht“ persönlich und im Großen wirklich werden kann.
Die vier Adventssonntage wollen genau diese vier Schritte vergegenwärtigen, an deren Ende eine Geburt gefeiert werden kann, die im Kern vom Himmel bis zur Unterwelt reicht und in der Folge allmählich in Geschichte verwandelt wird. Ein solcher Blick widerspricht nicht den Ahnungen, die sich verstecken im Plätzchen-backen und Geschenke-besorgen. Er führt aber vielleicht manche zurück zu den tieferen Ursprüngen gewisser Bräuche, Geschichten und Rituale.
Karl Hofmann