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KI ist gefährlicher als Atombomben.
Elon Musk
Wer am PC heute die Programme von Microsoft oder Adobe verwendet und Texte formulieren möchte, dem wird angeboten, sich bei der Abfassung von der künstlichen Intelligenz (KI) helfen zu lassen. Das werden nicht wenige in Anspruch nehmen. Es ist bequem und hilfreich, wenn die eigene Ausbildung der deutschen oder fremden Sprache nicht mehr tief und grammatikalisch wie auch rechtschreibmäßig sicher ist.
Gleichzeitig merkt man, wie die KI lernt und sich immer mehr dem eigenen Denk-und Schreibstil anpassen kann. Ohne dass man darüber nachdenkt, führt dies dazu, dass man sich nicht nur daran gewöhnt, sondern anerkennt, dass sie einem, zumindest in diesem Bereich, überlegen ist.
Auf scheinbar ganz natürliche Weise wird so ein bestimmtes Grundmuster der Selbst- und Weltanschauung eingepflanzt. Dieses Grundmuster ist nicht neu, aber durch sein technologisches Gewand nur schwer wiederzuerkennen. Es hat sich schon zweimal in unserem geschichtlichen System durchzusetzen versucht. Das erste Mal im 13. Jahrhundert in der Schicht der geistig Gebildeten des christlichen Abendlandes, das zweite Mal im 17 Jahrhundert über den Denkansatz von René Descartes.
Bleiben wir heute beim Bezug zum ersten Versuch. Damals wie heute ging es um die Frage, wie den Menschen die Ewigkeit zugänglich und gewiss sein könne. Im geistlichen Gewand ging es genauerhin darum, wie der Mensch nach dem Tode fortbestehen könne.
Die einen hielten sich an Aristoteles, der geschrieben hatte, dass die Seele immer an den Körper gebunden und ohne diesen sinnlos sei. Für Aristoteles folgte daraus, dass mit dem Körper auch die Seele sterbe.
Die andere Sicht ging auf Platon zurück. Hier war die Seele wesentlich eine Ausdrucksform des ewigen Reiches der Ideen. Im irdischen Leben erinnerte sie sich mehr oder weniger an jene Welt. Im Tod löste sie wieder die oberflächliche Verbindung mit dem irdischen Körper.
Die Kirche des Mittelalters suchte beide Ansätze zu verbinden. Man sprach von der Geistseele, die den äußeren Körper „formen“ würde. Die Idee von der Geistseele sollte also beide Vorstellungen verbinden. Weil die Seele als Geist nicht stirbt, hat sie das ewige Leben. Weil die Seele als Lebensseele immer in Verbindung mit dem „Leib“, dem Körper des Lebens, bleibt, ist das ewige Leben ein einmalig persönliches Leben und eine Wiedergeburt nicht möglich und notwendig.
Was so abstrakt klingt, hatte sehr praktische Folgen. Eine davon war im christlichen Raum die absolute Durchsetzung der Beerdigung. Denn ewiges Leben war nur in Beziehung zum konkreten Leib möglich. Nur bei einer Beerdigung statt einer Verbrennung konnte die Vorstellung im Ansatz bewahrt werden. Der Leib würde beim jüngsten Gericht mit der Seele in gereinigter Form wieder vereinigt werden. Allerdings konnte sich dieses Modell der individuellen Geistseele gegen die Annahme einer kollektiven ewigen Geistseele erst auf dem Konzil von Vienne 1311 endgültig durchsetzen. Vor allem in den geistlichen Orden wurde zuvor massiv für den absoluten Vorrang des Geistes gekämpft.
Genau in einem solchen Kampf stehen wir 800 Jahre später erneut. Aus dem religiösen Geist ist inzwischen der technologische Geist der KI geworden. Die künstlich virtuelle Welt wird immer mehr zur realen Welt. Was mein Auge sieht, erhält erst seinen bleibenden Wert durch das digitale Verewigen über Foto und Video. Was ich schreibe, wird gewöhnlich sofort meiner überirdischen Welt des Computers oder gar der kollektiv überirdischen Welt einer Cloud anvertraut.
Der Wunsch der technologischen Eliten geht weiter. Die KI soll zur „Seele“ unseres realen Lebens werden. Schon heute gilt: das Internet vergisst nicht. Das Ideal der Zukunft liegt darin, dass du dich als ganze Person der technologischen Intelligenz überlässt, freiwillig oder erzwungen. Der Dank für die Bereitschaft zur völligen Digitalisierung und intelligenten Programmierung deines Körpers liegt darin, dass du glauben darfst, dass dein Wesen gleichsam ewig in seiner Informationsvielfalt erhalten bleibt.
Natürlich halten das viele heute noch für wahnwitzig, zeigt sich doch die KI dem einzelnen im Alltag nur als bescheidener Helfer. Aber das 21. Jahrhundert wird vom Kampf um diese höhere Sinnstiftung beherrscht bleiben. Erst am Ende wird die Elite einsehen (müssen), dass dieses Modell einer absoluten Beherrschung der menschlichen Person gescheitert ist. Wo wird ab 2090 das neue Konzil von Vienne stattfinden?
Karl Hofmann