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Je stärker Deutschland dient, umso größer ist seine Rolle.
Robert Habeck 2022
Robert Habeck ist (immer noch) deutscher Wirtschaftsminister. Er gehört zu den Grünen. Viele seiner Entscheidungen sind umstritten. Vielleicht fällt es von daher manchem nicht leicht, sich einer zentralen Aussage von ihm aus höherer Warte zu nähern. Denn dann ist leicht festzustellen, dass seine Aussage ein uraltes spezifisch deutsches Phänomen trifft.
Was Deutschland immer schon geistig anzog, waren große Ideen. Wir sind im Kern kein tief verankerter Nationalstaat. Um das zu verstehen, ist es hilfreich, ein wenig die deutsche Geschichte zu rekapitulieren.
Deutschland führte das christliche Abendland an, solange es dem Kaisertum und Papsttum verpflichtet war. Das waren große Ideen, denen die realen Repräsentanten mehr oder weniger genügten.
Die Zeit, als die Dynastien immer mehr zu Nationalstaaten wurden, fand Deutschland zersplittert in 350 rechtliche Einheiten, über denen der Kaiser, jahrhundertelang ein Habsburger stand, nicht aus Deutschland, sondern aus Wien kommend.. Seine Verwaltung arbeitete in Regensburg.
Zum Nationalstaat formte erst Bismarck die deutschen Stämme, nachdem Napoleon die Grundlagen gelegt hatte. Bismarck musste den preußischen Hohenzollernkönig genauso dazu zwingen wie den Bayernkönig.
Auch im Nationalsozialismus kam das „deutsche Wesen“ zurück, das sich nicht damit begnügen konnte, Deutschland neu zu organisieren. Bezeichnenderweise vertraute man sich wieder jemandem an, der gar nicht aus Deutschland stammte. Auch dieses neue Deutschland hatte von Anfang an einen Weltanspruch. Man sang nicht umsonst: Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt. Man glaubte tatsächlich, dass die Welt am deutschen Wesen genesen könne. Man sah, dass die meisten modernen Spitzenprodukte, vom Auto, über Flugzeuge, Raketen, Elektrizität, Computer, Atomphysik oder Medikamente ihren Ursprung in Deutschland hatten. Man war stolz auf das „Made in Germany“.
Dienst an etwas Größerem: Das wurde von den führenden Deutschen immer schon als besondere Berufung empfunden. Shakespeare schuf zutiefst englische Werke, Goethe hatte die ganze Menschheit und sein „Faust“ die ganze Hochkultur des Abendlandes im Blick.
Während also andere den Idealismus gewöhnlich nur dazu benutzen, um ihre reale Macht auszuweiten, findet sich in Deutschland der ernsthafte Glaube, für die ganze Welt, wenn auch nur stellvertretend und symbolisch, etwas leisten zu sollen und so erst seine maximale Sinnerfüllung zu erlangen.
Natürlich sind wir, von außen betrachtet, schon lange Vasallen der USA oder, noch präziser, der einen Neuen Weltordnungs-Agenda. Das aber wird nicht bloß als ein Zwangsverhältnis erlebt, sondern hier gilt durchaus der alte Spruch: Halb zog er sie, halb fiel sie hin.
Sinn heißt hier für eine führende Schicht, für etwas Größeres da zu sein als Deutschland oder selbst Europa. Mit dem Argument, die Welt zu retten, konnte Kohl der europäischen Gemeinschaft Vorrang vor Deutschland geben. Merkel konnte mit dem gleichen Argument 2011 den Unfall von Fukushima für den Atomausstieg nutzen, 2015 die außerordentliche Menge an Migranten freundlich empfangen lassen, die Deutschen auf Umweltschutz einschwören. Ob nun der weltweite Energieverbrauch zu senken war (1974), der weltweite Terrorismus zu bekämpfen war, der Wald, das Klima, die Weltgesundheit, die weltweite Demokratie zu retten waren und sind, immer wirken solche Sinn-Narrative in Deutschland wesentlich tiefer als in anderen Ländern.
Eine aktuelle Form dieser durchgehenden Sehnsucht nach der Re-ligio, der Rückbindung an einen umfassenden Sinn, ist der Great Reset. Und so ist es kein Zufall, dass das WEF seit mehr als 50 Jahren von einem Deutschen geführt wird, der wiederum von einem anderen, in Fürth geborenen Deutschen angeleitet wurde, nämlich Henry Kissinger.
Da mag es zwar andere Nationen verwundern, wie die Deutschen Politiker wählen können, die ausdrücklich mit Deutschland als Vaterland nichts anfangen können, nicht aber viele Deutsche selbst. Dahinter verbirgt sich, wie wir sehen, eine tausendjährige Tradition. Diese eigenartige Art von Idealismus erweist sich immer schon als zweischneidig. Er hat für die Menschheit Großes hervorgebracht. Zugleich fiel und fällt er immer noch leicht dem stärksten Missbrauch zum Opfer.
Karl Hofmann