Kairos Inspirationen 2024/#19

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Die Irrtümer von heute sind die Katastrophen von morgen.

 

Ernst Ferstl

 

Jede Katastrophe erweist, dass das, was zu einem bestimmten Zeitpunkt geglaubt wurde, ein Irrtum war. Nicht zwangsläufig führt die Katastrophe zur Einsicht derer, der das Falsche geglaubt haben. Wenn es wesentlich ist für sie, glaubten Sie daran fest und unerschütterlich. Der Fehler lag dann in den Umständen, die sie unterschätzt hatten oder die zu unerwartet kamen oder zu stark wirkten.

 

Offenbar gilt: Was ich existenziell glaube, kann kein Irrtum sein. Sonst wäre mein Leben selbst ein Irrtum. Was andere Irrtum nennen, kann ich bestenfalls als Nicht-Verständnis für meine Perspektive sehen. Spannend ist dabei, dass die Art und Weise wie man die empfundene Katastrophe wertet und einordnet, auch wesentlich davon abhängt, zu welchem Generationsfeld man gehört. Inwiefern die beiden Weltkriege etwa zu einer Änderung der Sichtweise und der Glaubenssätze geführt haben, hing nachweislich damit zusammen, wann jemand geboren war und sozialisiert wurde. Die ganz Alten beklagten zum Beispiel nach dem Ersten Weltkrieg den Verrat an der Staatsidee, die mittleren den Verrat an den Kämpfenden und die Jüngsten fühlten sich von der Propaganda verraten.

 

Die Späteren haben nicht die gleiche innere Situation. Sie können das Frühere als Irrtum werten, weil der eigene Glaube längst auf etwas Anderes fokussiert ist. Die sogenannte Corona- Pandemie wird später auch einmal als Katastrophe eingeschätzt werden. Aber nicht von denen, die sie systematisch und in klarem Wissen geplant haben. Für sie liegt der Irrtum nur in der Unterschätzung des Widerstandes und der Unvollkommenheit der Ausführung. Sie werden an der Notwendigkeit festhalten, weil ihr Lebenssinn im größeren Ziel der Menschheit, an das sie glauben, wie etwa der notwendigen Realisierung eines dreihundertjährigen Ideals, der neuen Weltordnung, besteht. Dieser Sinn ist für sie mehr wert als das Leben – vieler.

 

Das lässt uns geschichtlich besser verstehen, warum manche Irrtümer bis zu irgendeiner Katastrophe durchgehalten werden. Das hebt allerdings nicht die ethische Verantwortung auf. Und damit die Pflicht der Späteren, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

 

 

Karl Hofmann

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