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Selig ist, wer ohne sich zu verlieren, in mir sich selbst findet.
in
Lukas 7,23
Ein scheinbar sehr paradoxer Satz. Denn wenn ich mich schon habe, also nicht verloren habe, wie soll und muss ich mich dann selbst finden?
Das „in mir“ deutet eine andere Dimension an. Sie ist da und ich brauche sie, ohne das aufzuheben, was für mich, für jeden notwendig ist, nämlich bei sich zu bleiben.
Offenbar habe ich die Aufgabe, das, was ich bin, meine Körperlichkeit, meine Herkunft, mein Weltverständnis, meinen Bezug zu diesen oder jenen Menschen nicht zu verlieren, sondern sie zu erhalten, zu pflegen, ihnen Raum zu geben.
Aber darin liegt noch nicht das, was hier „Seligkeit“ genannt wird. Wann aber wird die Seele, der Kern meiner Beziehung zu allem, erfüllt? Erst wenn sie „in mir“ sich selbst findet! Was aber ist dieses „in mir“? Vielleicht stelle ich mir den konkreten Jesus oder das „Herz Jesu“ vor, aber zugleich weiß ich, dass dieses andere Ich nicht fassbar ist. Noli me tangere, berühre mich nicht! wird zu Maria Magdalena nach der Auferstehung gesagt. Und doch, obwohl unfassbar, kann ich damit in Resonanz gehen, mehr noch, ich finde darin meine Sinnerfüllung. Das absolute Bejahtsein und damit das Ankommen bei dem, was meine tiefste Sehnsucht ist.
Darin steckt keine Ethik, keine Aufforderung zum richtigen, zielgerichteten Handeln. Es bleibt offen, wie das zu erreichen ist. Ist es nur Geschenk des Himmels, gütige Vorherbestimmung, von wo auch immer? Kann ich das bewusst suchen? Besteht nicht immer die Gefahr, dass ich auch das „in mir“ zu einem Gegenstand meines Besitzes mache und so durch diesen Gewinn wiederum mich verliere, weil ich mich in einem Außen zu haben meine?
Zwei Sorgen stehen diesem seltsamen Satz entgegen:
Zum Einen: Fremdbestimmt zu werden, von jemand anderem abhängig zu sein
Zum Zweiten: Nicht wirklich sein eigenes Glück zu finden
Das Problem lässt sich rational nicht lösen, wohl aber im Herzen, in einem Hören, das immer tiefer in sich hineinhört.
Auch das Wort „selig“ ist rational nicht zu fassen. Es ist nicht das, was man gewöhnlich unter Glück, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, innerer Gesundheit oder starken positiven Empfindungen verstehen.
Vielleicht kann man es mit der Buddhahaltung oder dem „ledig sein“ eines Meister Eckehart in Verbindung bringen oder mit der Ruhe des Herzens, von der Augustinus spricht oder mit dem Verweilen im – Kairos. Unser Wachsein kann sich dem nur annähern. Es ist aber da, zumindest als eine Sehnsucht, die diesem paradoxen Satz seine Sinnhaftigkeit verleiht. Und deshalb ist es auch sinnvoll, diesen Satz im Bewusstsein zu behalten und im Herzen immer wieder zu bewegen, bis etwas von seinem Glanz sichtbar wird.
inKarl Hofmann