Alles, was wir als wirklich sehen, hat für uns Bedeutung.
Kairos Inspiration 18. 2. 2024
Der Satz gilt auch andersherum: Alles, was für uns Bedeutung hat, sehen wir auch als wirklich.
Teufel, Kobolde, Hexen, Engel, der Himmel der Seligen … waren für das Mittelalter wirklich. Daran zweifelte der universale Glaube des christlichen Abendlandes nicht. Und wer es doch tat, war ein Ketzer, modern gesprochen, ein Verschwörungstheoretiker.
Der Untergang der Titanic, die Mondlandung, 9/11, Covid19, die Alleinschuld Russlands am Ukraine Krieg – das ist für die normale aktuelle Wahrnehmung wirklich. Daran zweifelt „man“ nicht, und wer es tut, ist Verschwörungstheoretiker, der öffentlich mundtot gemacht werden muss.
Als Tatsache wird behauptet, was Sinnbedeutung hat. Welches Bild wir uns von einem Vorgang machen, hat immer mit der Bedeutung zu tun, die wir ihm zuschreiben, in die unsere Energie, unsere Lebenssehnsucht fließt. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Damit wird nicht bezweifelt, dass dies und jenes real nachweisbar ist. Doch daraus folgt noch nicht, dass und wie dieses Geschehen wahrgenommen wird. Denn das hängt eben davon ab, wie man dazu in Beziehung geht und dieses wiederum davon, worum es einem gegenwärtig geht.
Der eine ignoriert den Seitensprung seiner Frau, der andere lässt sich scheiden. An den Reaktionen erkennt man die Bedeutung, die der Sachverhalt für beide hat. Der eine nimmt den Seitensprung als Warnschuss und verhält sich danach liebevoller als vorher, der andere nimmt ihn als Erlösung aus einer für ihn suboptimalen Beziehung.
In allen Fällen verkleidet sich die Bedeutung in ein Narrativ, eine bewusst erzählte Geschichte, die das wie, warum, wozu umfasst und an der man, soweit möglich, festhält, zumindest so lange, solange die Beteiligten, gleich ob einzelne oder ganze Völker, es für notwendig halten. Um der Bedeutung willen wird manches aufgebauscht, anderes klein geredet, geschrien oder geschwiegen, Gewalt angewandt oder Frieden gestiftet.
Karl Hofmann